Veronika Fehle schrieb diesen Artikel über die Magdalenakirche nach einer Kirchenführung
im August 2021. Wir dürfen diesen freundlicherweise hier veröffentlichen.
Wenn man’s nicht weiß, fährt man einfach dran vorbei. Wenn man es aber entdeckt, das Kleinod an der Durchzugsstraße, und dazu noch das Glück hat, die Türen offen vorzufinden, dann muss man einfach vom Magdalenakirchlein in Feldkirch-Levis erzählen. Beispielsweise wie nach der sonntäglichen Führung mit Kirchenraumpädagoge Werner Gerold.
Bitte alle einmal nach draußen
Da hieß es zunächst einmal – kurz, nachdem sich alle mit gebührendem, pandemieverträglichem Abstand in den Bankreihen des Kirchleins niedergelassen hatte – „Bitte alle aufstehen. Es geht nach draußen!“ Also, auf ging’s. Und zwar gleich einmal hinter das Kirchlein. „Was fällt uns da auf?“, fragte der engagierte Pädagoge. Zum einen, dass man die Magdalenakirche immer mit dem angrenzende Siechenhaus (heute Jugendherberge und Bushaltestellle) denken muss, zum anderen, dass das älteste Fenster, das gegen Osten zeigt, einen Hinweis auf die Zeit liefert, in der die Kirche erbaut wurde. Das sollte ca. so um den Beginn des 14. Jahrhunderts gewesen sein. Damals „waren im Siechenhaus die so genannten ,Leprosen‘ untergebracht. Im Prinzip war das Gebet ihr einziges ,Heilmittel‘“, erzählt der Kirchenführer da aus der Geschichte. Und ja, tatsächlich haben sich bis heute Spuren dieser gemeinsamen Geschichte der benachbarten Häuser erhalten. Wer die Zeichen lesen kann, sieht sie. So, wie beispielsweise das heute vermauerte, halbrunde Fenster an der Außenmauer der Kirche. „Das Fenster war natürlich offen und unter dem Fenster muss man sich ein hölzernes Podest vorstellen. So konnten die Kranken quasi von außen am Gottesdienst teilnehmen“, erfährt man dann. An der vorderen Ecke dann der nächste Hinweis. Hier sind ca. auf der Höher der Empore im Inneren eindeutig die Umrisse einer Tür zu sehen. „Da gab es einen direkten Zugang vom Siechenhaus in die Kirche.“ Irgendwann brauchte man ihn nicht mehr – und er kam weg.
Der große Max und der kleine Fritz
Ja und was sieht man noch, wenn man so im Freien um sich blickt – das Schlösschen Amberg. Dort lebte ab 1510 Anna von Helfenstein. Man darf annehmen, dass sie eine faszinierende Persönlichkeit war, erblickte doch 9 Monate nach dem Besuch des Kaisers Maximilian ein kleiner Junge das Licht der Welt. Friedrich Maximilian sollte er heißen. Und über die Geschichte mit Anna von Helfenstein und dem kleinen „Fritz“ kam es auch, dass man am rechten Seitenaltar der Magdalenakirche heute ein Gemälde flämisch-süddeutscher Herkunft bestaunen kann. Es zeigt die „Anbetung der Könige“ und war ein Geschenk Kaiser Maximilians, der ja persönliche Beziehungen mit Amberg pflegte, sagt man.
Könige, Kamele und Durchreisende
Aber noch ist man ja gar nicht drinnen im Kirchenraum. Einmal wandert der Blick noch nach oben und trifft dort, ganz unerwartet, auf Fresken, die so um 1320 entstanden sind. Da ist ein Christophorus mit dem kleinen Jesus am Arm, da ist eine wunderschön gestaltete Maria mit dem Neugeborenen und da reiten die drei Könige auf ihren Pferden daher, bei denen sich der Maler nicht ganz zwischen Ross oder Kamel entscheiden wollte. Ganz am äußeren linken Rand findet sich in Andeutungen noch ein Lazarus, der soeben erweckt worden wäre. Und damit schließt sich die thematische Klammer auch wieder hin zum Siechenhaus nebenan. „Wichtig war auch der Christophorus. Denn früher glaubte man, dass man an dem Tag, an dem man einen Christophorus gesehen hat, nicht sterben wird“, erklärt Werner Gerold das künstlerische Außenprogramm des Kirchengebäudes. Schon seit je her zogen hier Reisende, Händler und vielerlei anderes Volk vorbei. Es war also wichtig, dass der Christophorus gut sichtbar für alle außen an der Kirche über die Vorbeireisenden wachte. „Das sieht man so immer wieder bei ganz alten Kirchen“, fährt Werner Gerold fort. Und ja, jetzt, wo er es erwähnt, erinnert man sich doch an einige derartige Wächter an den Straßen.
Ganz wichtig. Wer die Fresken genauer unter die Lupe nehmen möchte, der sollte eine Taschenlampe auch untertags nicht vergessen. Es lohnt sich.
Barocke Pracht und Holzschnitzkunst
Dann aber ging es hinein in den Kirchenraum. Sofort sind es die drei frühbarocken Altäre, die ins Auge springen. Aus einem Guss sind sie. Niemand geringerer als Erasmus Kern – ja, der Vorarlberger Barockbildhauer und Holzschnitzer – soll sie gefertigt haben. Auch die Heiligenfiguren rechts und links von den Altären stammen von ihm. Schon schön, sie einmal so aus der Nähe sehen zu können.
Jetzt heißt es also einfach den Blick schweifen lassen und sich von einem Detail zum nächsten zu hangeln. Hier noch ein eine Rahmung mit Anklängen an die Renaissance, dort schon ein aufstrebender Strahlenkranz. Hier ein Wappen, dort ein pausbackiges Engelchen. Der goldene Prunk des Hochbarocks bricht schon an manchen Stellen durch, während es sich die Heiligenfiguren der Marke Kern ganz einfach herausnehmen, sich in freierer Bewegung zu präsentieren, als ihre KollegInnen ein paar Kunstepochen zuvor. Aber auch hier gilt, nichts ist zufällig dort, wo es platziert wurde.
Eine Kirche mit Programm
Hier Nikolaus und Katharina als Stadtpatrone von Feldkirch, am Hauptaltar Martin und Elisabeth von Thüringen und rechts dann Sebastian und Rochus – zwei Pestheilige. „Der heilige Martin, der seinen Mantel mit dem kranken Bettler geteilt hat, weist genauso wieder auf das Siechenhaus in der Nachbarschaft hin, wie Elisabeth von Thüringen, die für ihre Nächstenliebe verehrt wurde und um 1226 sogar ein Spital errichten ließ, in dem sie selbst die Kranken mitbetreute“, zeigt Werner Gerold anhand der Kunst, welches programmatische Konzept in der kleinen Kirche - außen wie innen - drin steckt.
Bewegung kommt dann in die Kirchenführungs-Gruppe, als Werner Gerold den Freskenzyklus an der Nordwand zu erklären beginnt. Da heißt es dann: „Bitte einmal alle auf die gegenüberliegende Seite.“ Zwecks besseren Blicks, versteht sich. Vom Abendmahl bis zur Kreuzigung geht es da. Eindrücklich, schön gestaltet. „Wahnsinn, dass man da einfach Fenster in die alten Fresken hineingeschnitten hat“, hört man es murmeln. Ja, aus heutiger Sicht versteht man das kaum noch. „Aber man muss sich das auch so vorstellen. Diese Fresken aus den Jahren 1480 – 1520 waren irgendwann einfach nicht mehr Zeitgeschmack. Man hat sie übermalt. Weg mit dem alten Zeug, hat man sich da gedacht. Das ist an vielen Orten so geschehen. Manche Pfarren aber, vor allem die ärmeren, hatten nicht die Mittel, ihre Kirchen neu auszustatten und heute ist man froh, dass so auch das ,alte Zeug‘ erhalten geblieben ist.“
Der Aufstieg eines Dörfchens
So erzählt die Magdalenakirche in Feldkirch-Levis nicht nur ihre und die Geschichte des Siechenhauses nebenan, sie erzählt auch vom Aufstieg des Stadtteils Levis. Eingezwickt zwischen dem bürgerlich-konservativeren Altenstadt und der progressiveren Stadt entwickelte sich hier das Beamtenviertel Levis, das mit dem Bau der Bahnstrecke so richtig Aufwind erfahren hat. Heute säumen viele Villen die Hauptstraße, an der ja auch die Magdalenakirche liegt. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Levis übrigens 1363, zeitlich gesehen also in ziemlicher Nähe zum Bau der Kirche. „Pfarrer Pfefferkorn, der über Jahrzehnte die Pfarre in Levis betreute, war immer der Ansicht, dass die Magdalenakirche die älteste Kirche im Land überhaupt sei. Das stimmt vielleicht nicht ganz. Aber was stimmt ist, dass ihm diese Kirche immer ein Anliegen war“, erinnert Gerold an einen ganz besonderen Ortspfarrer, ohne den man vieles über das Kirchlein so vielleicht nicht mehr wüsste.
Es greift also irgendwie alles ineinander. Schade nur, dass die Magdalenakirche meistens – aus verständlichen Gründen – verschlossen ist. Deshalb ein Tipp: Wenn eine Kirchenführung in St. Magdalena angeboten wird, hingehen.
Eine leichtbekleidete Dame
Übrigens, eines soll schon noch erwähnt werden. Unter dem Bild des linken Seitenalters ist ein kleineres Gemälde eingeschnitten. Zu sehen ist eine doch eher leichtbekleidete Dame. Ob es die namensgebende Magdalena ist? Vielleicht. Vielleicht aber auch eine ganz andere Heilige. Es gibt da nämlich, und auch das weiß man, wenn man bei einer Kirchenführung dabei war, die Legende einer bekehrten Prostituierten, die sich wie Gott sie schuf in die Wüste flüchtete. Dort betete sie. Schließlich kam ein Engel und brachte ihr zumindest ein Tuch, mit dem sie sich notdürftigst bekleiden konnte. Vielleicht ist es ja auch diese Dame. Anna von Helfenstein ist es jedenfalls nicht. Ihr hat man ja bekanntlich das Bild am rechten Seitenaltar zu verdanken.
Von Veronika Fehle veröffentlicht am 13.08.2021
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